Die meisten Parlamente der Welt haben eine Legislaturperiode von insgesamt vier Jahren. Zwar gibt es Parlamente, die weniger haben (z.B. das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten wird alle zwei Jahre gewählt) oder mehr (z.B. das europäische Parlament wird alle fünf Jahre gewählt), doch irgendetwas scheint magisch an der Zahl 4 zu sein. Hat es gute mathematische Gründe, weshalb wir alle vier Jahre wählen? Jain.
Die Zahl vier ist sehr alt
In vierjährigen Perioden zu zählen hat eine sehr alte Tradition und wie bei jeder demokratischen Errungenschaft kann man die Wurzel in das alte Griechenland zurückverfolgen. Mit der Olympiade bezeichnete man jenen Zeitraum zwischen den olympischen Spielen, welcher vier Jahre dauert. Im übertragenen Sinne bezeichnet die Olympiade auch die Spiele selbst. Das wurde bereits in der Antike Grundlage der Zeitrechnung.1https://de.wikipedia.org/wiki/Olympiade#Antike Wie es auch der Zufall will, ist die Zahl vier auch genau die Zahl der Jahre, die man nach dem julianischen Kalender abwarten muss, um einen Schalttag am Ende des Februars zu schalten. Mit aller Wahrscheinlichkeit rührt davon unsere Tradition, alle vier Jahre zu wählen.
Mathematische Eigenschaften der 4
Was kann man über die Zahl 4 sagen?.Hier ein paar Angaben der Wikipedia:2https://de.wikipedia.org/wiki/Vier#Mathematik
- Sie ist das doppelte der Zahl 2 und damit, wenn man die 1 ausnimmt, die allererste zusammengesetzte Zahl, also eine Zahl, die nicht prim ist.
- Außerdem besitzt die 4 die nette Eigenschaft, dass 2 + 2 = 2 \cdot 2 = 4 ist.
- Der kleinste platonische Körper, der Tetraeder, besteht aus vier Seiten.
Das sind alles Eigenschaften, die den mathematikbewussten Griechen bereits bekannt waren, aber dennoch ist das keine Erklärung, warum wir alle vier Jahre wählen oder warum die Olympiade vierjährig war. Da wir fünf Finger an jeder Hand besitzen und beides zusammen zehn macht, wäre es doch naheliegender, alle fünf oder zehn Jahre zu wählen. Schließlich ist unsere gesamte Zahlenwahrnehmung auf Zehnerpotenzen aufgebaut. Die Teilbarkeitsregel durch Fünf ist etwa leichter als die Teilbarkeitsregel durch Vier, weil unser Zahlensystem auf der Basis 10 aufgebaut ist.
Es wird noch eigenartiger
Würde man jedoch einen Griechen fragen, würde der aber antworten: „Aber unsere Olympiaden sind doch fünf Jahre lang!“ Fünf Jahre? Habe ich nicht vorhin vier Jahre gesagt? Nun, es wird noch eigenartiger. Statt einer Woche rechneten die Römer gerne mit dem nūndinum, was aus den Wörtern novem für „Neun“ und diēs für „Tag“ zusammengesetzt wird. Der Abstand vom Monatsanfang bis zum neunten Tag, den Nonen (nōnae), umfasst also – na wie viele Tage sind es? Vom ersten Tag des Monats bis zum neunten Tag des Monats vergehen insgesamt neun Tage, ein Nundinum, oder sind es nicht eher acht Tage? Es gilt ja schließlich 9–1 = 8. Und am ersten Tag des Monats würde man ja sagen „Bis in acht Tage“, wenn man sich am neunten Tag wiedertreffen möchte. In dem von mir genannten Zeitraum befindet sich aber der erste, zweite, dritte, vierte, fünfte, sechste, siebente, achte und neunte Tag des Monats, was gemäß des Namens nundinums nun neun Tage umfasst. Sind es aber nun neun oder acht Tage?
Das ist des Rätsels Lösung! In der ersten Zählung habe ich den ersten Tag nicht mitgezählt. Wenn ich nämlich „Bis in acht Tage“ sage, meine ich den heutigen Tag schließlich nicht mit. (wobei man von älteren Menschen und von Franzosen noch die Wendung „Bis in fünfzehn Tage“ kennt, wenn sie eigentlich zwei Wochen meinen). Die zweite Variante zählt den ersten Tag mit, man nennt dies Inklusivzählung. Die englische Sprache hat das Problem übrigens so gelöst: Ein Synonym für zwei Wochen (two weeks) ist fortnight, also die Kurzform für fourteen nights. Innerhalb von zwei Wochen befinden sich unbestreitbar vierzehn Nächte. Ob aber vierzehn Tage dazwischen liegen, hängt davon ab, ob man den ersten Tag mitzählt.
Inklusiv gezählt wird jedes fünfte Jahr gewählt. Hier schwarz markiert: Erstes, zweites drittes, viertes, fünftes. Dazwischen allerdings vergehen vier Jahre, weshalb man von Wahlen „alle vier Jahre“ heutzutage spricht.
Heute wird überwiegend exklusiv gezählt. Es gibt allerdings noch immer Fälle, wo man aus Traditionsgründen inklusiv zählt und das sorgt häufig für Kopfschmerzen. Erhöht man etwa eine Musik um einen Schritt, so macht man einen Sekundschritt, da man von der ersten Note zur zweiten Note gegangen ist, obwohl der Schritt selbst nur einer war. Die Jahrhunderte gehen vom ersten Jahr bis in das 101. Jahr, weil Jesus nicht im Jahre 0 nach Christus, sondern im Jahre 1 nach Christus geboren ist. Der eigentliche Beginn des 21. Jahrhunderts ist folglich das Jahr 2001.
Wie man sieht, hängt die Frage, ob man inklusiv oder exklusiv zählt, auch stark mit der Frage ab, ob man die Null als vollwertige Zahl anerkennt. Heutzutage benutzen wir die Zahl Null ohne Scham und tendieren eher zur Exklusivzählung. Im Alltag hingegen, wenn wir Gegenstände durchzählen, beginnen wir trotzdem noch oft mit dem Ersten und nicht mit dem Nullten (außer die Informatiker, aber die sind sowieso von einem anderen Planeten.
Sollte man nun alle vier Jahre oder fünf Jahre wählen?
Durch meine Ausführung wird man sich hoffentlich dessen bewusst, dass eine vierjährige Legislaturperiode keine heilige Kuh ist, man kann sie also getrost schlachten und durch eine längere oder kürzere Zeit ersetzen. Ob das sinnvoll ist, ist das eine andere Frage. In Deutschland sind die Landesparlamente nach und nach auf fünf Jahren umgestiegen, um die Zahl der „Dauerwahlkämpfe“ pro Jahr zu verringern. Befürworter führen an, dass man so, politische Projekte besser durchsetzen könne, die zwar gut seien, aber anfangs möglicherweise nicht gut ankämen. Auch habe ich ja erwähnt, dass der Vorzug der Zahl fünf ist, dass es deutlich leichter ist, durch fünf teilbare Jahre zu ermitteln.
Dagegen ließe sich aber einwänden, dass ein zusätzliches Jahr dem Souverän, das Volk, die Partizipationsmöglichkeit wegnimmt. In der römischen Antike wählte man jährlich, die Vereinigten Staaten wählen zum Kongress alle zwei Jahre. Fünf ist außerdem im Gegensatz zur Vier eine Primzahl. Bei einer vierjährigen Periode ließe sich deutlich einfacher eine „Halbzeit“ festmachen (nämlich nach zwei Jahren). Bei fünf Jahren müsste man erst rechnen, wo die 2,5 Jahre denn liegen sollen. Manche Parlamente haben eine dreijährige Wahlperiode. Es gibt die Tendenz, dass durch die immer komplizierter werdende Politik, die Wahlperioden länger werden. Das muss man natürlich kritisch betrachten. Vielleicht werden wir eines Tages nur noch alle zehn Jahre wählen können. Ob das als Demokratie durchgehen kann, ist aber dann fraglich …
Quellen/Anmerkungen
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