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Die erst 18-jäh­ri­ge Kom­po­nis­tin Alma Deut­scher hat mit ihrer Oper Des Kai­sers neu­er Wal­zer ein ambi­tio­nier­tes Werk gelie­fert. Nicht nur will sie das klas­si­sche Mär­chen von Hans Chris­ti­an Ander­sen nach­er­zäh­len, son­dern eige­ne Impul­se set­zen. Dafür wird die Hand­lung in die moder­ne Zeit ver­la­gert, femi­nis­ti­sche Bot­schaf­ten ver­mit­telt und har­te Kri­tik an moder­ner Musik aus­ge­übt. Trotz oder wegen der sehr poli­ti­schen und kri­ti­schen The­men will sie getreu dem Aus­spruch „Es ist schwer, kei­ne Sati­re zu schrei­ben“ das alles in eine ein­zi­ge musi­ka­li­sche Komö­die packen. Nur lei­der ist sie vol­ler Ambi­tio­nen kra­chend gescheitert.

Hand­lung

Leo­nie Kai­ser fühlt sich wie in einem gol­de­nen Käfig gefan­gen. Die Toch­ter des Mode­mo­guls Rudolf Kai­ser träumt davon, Musi­ke­rin zu wer­den. Doch lei­der ist sie vom Vater, der selbst bald hei­ra­ten will, bestimmt wor­den, den all­zu schmie­rig wir­ken­den Star-Kom­po­nis­ten Antho­ny Swin­del­le zu hei­ra­ten und eines Tages das Unter­neh­men zu über­neh­men. Sie ver­sucht, sich aus der Welt des Kit­sches zu ent­flie­hen, indem sie sich als Jun­ge ver­klei­det und in eine Musik­aka­de­mie ein­schreibt, des­sen Rek­tor aus­ge­rech­net ihr Ver­lob­ter in spe ist.

Der­weil benei­det der Gärt­ner der Fami­lie Kai­ser, Jonas, das Leben der Leo­nie und träumt eben­so wie sie, Musik zu stu­die­ren. Denn er kann nur ein­fa­che Pop­songs mit­hil­fe sei­ner Gitar­re impro­vi­sie­ren und träumt davon, Kom­po­si­ti­on zu stu­die­ren, um eines Tages „rich­ti­ge“ Musik zu schreiben.

Also schrei­ben sich bei­de in die glei­che Lehr­ver­an­stal­tung ein. Was folgt, ist eine ver­wor­re­ne Ver­wechs­lungs­ge­schich­te, bei denen sich die Pfa­de von Leo­nie und Jonas kreu­zen. Gemein­sam decken sie im Lau­fe des Stü­ckes auf, dass Antho­ny Swin­del­le nicht der ist, den er vor­zu­ge­ben vermag.

Zu viel des Guten!

Es wird so eini­ges auf der Büh­ne prä­sen­tiert. Da ist zum einen die Leo­nie, die das Gefühl hat, dass ihr weib­li­ches Geschlecht ein Kar­rie­re­hin­der­nis sei und der sie sich mit einer Ver­klei­dung in einen Jun­gen zu ent­zie­hen ver­sucht. Zum ande­ren haben wir Jonas, einen Ver­tre­ter der Arbei­ter­klas­se, der nur mit Neid auf die ver­snob­ten Kai­sers schaut, und mit sei­nen pro­le­ta­ri­schen Hin­ter­grün­den glatt einem Brecht-Dra­ma ent­stam­men könnte.

Vater Rudolf Kai­ser plant sei­ne erneu­te Hei­rat und bringt mär­chen­ty­pisch eine böse Stief­mut­ter in die Fami­lie hin­ein, wäh­rend er zugleich einen neu­en Jing­le sucht, um sei­ne neu­es­te Mode­kol­lek­ti­on zu ver­mark­ten, und an der Ober­fläch­lich­keit der Musik verzweifelt.

Als letz­tes haben wir den Ant­ago­nis­ten, der aus der Sicht Deut­schers wohl das pure Böse ver­kör­pert: Antho­ny Swin­del­le („Schwin­del“) ist ein gefei­er­ter Star-Kom­po­nist, der eigent­lich ver­ständ­nis­lo­sen Lärm kom­po­niert. Nie­mand traut sich aber, die Wahr­heit zu sagen aus Angst, „unkul­ti­viert“ zu gel­ten – der klas­si­sche Kern des Mär­chens von Hans Chris­ti­an Ander­sen. Um sei­ne Bos­haf­tig­keit noch zu unter­mau­ern wird der moder­ne Schar­la­tan­kom­po­nist auch noch als arro­gan­ten Pro­fes­sor dar­ge­stellt, der sei­ne Macht­stel­lung aus­nutzt, um eine Mit­ar­bei­te­rin zu verführen.

Das ist ein­deu­tig zu viel! Femi­nis­mus, „Ich bin Han­nah“, „Me too“, Kri­tik an moder­ner Musik, Kon­sum­kri­tik, Sche­re zwi­schen Arm und Reich und Mär­chen über­frach­ten die Hand­lung. Wenn es nicht schon kom­pli­ziert genug ist, wird im zwei­ten Teil der drei­stün­di­gen Oper auch noch ein Restau­rant prä­sen­tiert, wel­ches ver­zwei­felt den drit­ten Miche­lin-Stern erhal­ten möch­te. Statt sich auf ein The­ma zu kon­zen­trie­ren, wer­den alle mög­li­chen The­men ober­fläch­lich abge­han­delt. Jonas‘ ein­fa­che Her­kunft etwa ist in ein paar Zei­len Text und Lie­dern erle­digt und ent­fal­tet kei­ner­lei Rele­vanz. Die eigent­lich aus der Mode gekom­me­ne Regel, man sol­le in einem Dra­ma kei­ne Neben­hand­lun­gen eröff­nen, gewinnt hier an nicht beab­sich­tig­ter Wichtigkeit.

Durch die­ses Pot­pour­ri an teils zusam­men­hangs­los zusam­men­ge­wür­fel­ten The­men ver­liert die Hand­lung an Kohä­renz und baut Wider­sprü­che auf. Wäh­rend es in einer mit­tel­al­ter­li­chen Gesell­schaft durch­aus nach­voll­zieh­bar ist, dass sich Leo­nie in einen Jun­gen ver­klei­den muss, ergibt die Ver­klei­dung im Kon­text der Oper kei­nen Sinn. Offen­kun­dig gibt es in der Musik­aka­de­mie Swin­del­les Stu­den­tin­nen – ja ein gan­zer Hand­lungs­strang ist dem gewid­met, dass Swin­del­le sei­ne Macht­po­si­ti­on aus­nutzt. War­um aber ver­klei­det sich Leo­nie dann in einen Jun­gen? Kann sie nicht ein­fach unter einem ande­ren Namen sich ein­schrei­ben und sich leicht umschmin­ken? War­um wird durch die Figur Jonas moder­ne Sozi­al­kri­tik aus­ge­übt, nur damit er am Ende mär­chen­ty­pisch – das dürf­te kei­ne Über­ra­schung sein – sich „hoch­hei­ra­ten“ kann? Ist das nicht ein offen­kun­di­ge Dop­pel­mo­ral, die Jonas betreibt? Fra­gen über Fragen …

Eine musi­ka­li­sche Respektlosigkeit

Die vor­he­ri­gen Kri­tik­punk­te lie­ßen sich noch mit der Begrün­dung ver­schmer­zen, dass eine Oper schlicht­weg kein gutes Libret­to braucht, um groß­ar­tig zu sein. Wer besucht schon eine Oper der Hand­lung wegen? Man kommt, um auf der Büh­ne gute Musik genie­ßen zu kön­nen. Aller­dings ist die Art und Wei­se, wie hier Musik kom­men­tiert wird, das größ­te Pro­blem an der Oper.

Jonas kann man als Stell­ver­tre­ter für die Pop­mu­sik sehen und obwohl er zu den Hel­den gehört, ist die ver­mit­tel­te Bot­schaft frag­wür­dig. Im Lau­fe der Oper wird ihm näm­lich attes­tiert, er sei bereits ein sehr krea­ti­ver Musi­ker, müs­se aber mit nur etwas Har­mo­nie­leh­re kom­pli­zier­te­re Har­mo­nien bau­en, damit sei­ne Stü­cke „gut“ wären. Damit bedient sich lei­der Deut­scher wie­der des Kli­schees, dass gute Musik vie­le ver­schie­de­ne Akkor­de haben müsste.

Noch viel respekt­lo­ser ist ihr Umgang aber mit der ver­meint­lich „kul­ti­vier­ten“ Musik der Moder­ne, die sich in der Per­son Antho­ny Swin­del­les fin­det. Als arche­ty­pi­scher Böse­wicht erscheint er gar so, als wäre er der Zer­stö­rer schö­ner Musik. Ein äußerst frag­wür­di­ge Aus­sa­ge wird in der Oper getrof­fen, dass alle sei­ne Musik nur mögen wür­den, um nicht als unkul­ti­viert ent­larvt zu werden.

Das hin­ter­lässt einen faden Bei­geschmack, denn es wir­ke so, als wol­le sich die jun­ge Kom­po­nis­tin über die Wer­ke groß­ar­ti­ger Kom­po­nis­ten, wie Schön­berg oder Alban Berg, lus­tig machen. Im Rah­men einer musi­ka­li­schen Komö­die lie­ße sich zwar auch auf hei­te­rer Art Kri­tik an ato­na­ler Musik aus­üben, aber man muss auf­pas­sen, nicht mit infan­ti­lem Humor eine Respekt­lo­sig­keit auf die Büh­ne zu brin­gen. Ehr­li­che Fans moder­ner Musik kön­nen sich sehr belei­digt füh­len und auch ich hat­te nach der ers­ten Hälf­te den Drang, die Oper zu verlassen.

Zwi­schen Inno­va­ti­on und Tradtion

Es ist scha­de, dass Deut­scher sich kom­po­si­to­risch einer ernst­haf­ten Aus­ein­an­der­set­zung ent­zo­gen hat. Denn statt ori­gi­nel­le ato­na­le Musik zu prä­sen­tie­ren, führt Antho­ny Swin­del­le nur zusam­men­hangs­lo­sen Krach auf. Deut­scher bedient sich hier eines Kli­schees über moder­ne Musik, wel­ches sich schnell abnutzt und nur noch für ein generv­tes Augen­rol­len sorgt.

Ansons­ten wür­de ein Fan Alma Deut­schers nichts an der Musik aus­zu­set­zen haben. Es scheint, dass sich ihr musi­ka­li­scher Stil sich in der Oper end­gül­tig fest­ge­legt hat. Im Gegen­satz zu ihrer letz­ten Oper „Cin­de­r­el­la“ scheint sie nicht mehr auf Sti­le völ­lig unter­schied­li­cher Kom­po­nis­ten zurück­zu­grei­fen, son­dern vor allem ihre eige­ne Kom­po­si­tio­nen wie­der­zu­ver­wer­ten. Auf­fäl­lig sind die ver­hält­nis­mä­ßig vie­len gespro­che­nen Dia­lo­ge, die den Ein­druck eines Sing­spiels vermitteln.

Deut­scher ent­puppt mit ihrer Musik eine über­ra­schen­de Expe­ri­men­tier­freu­de. Neben dem klas­si­schen Orches­ter kom­men auch unkon­ven­tio­nel­le Instru­men­te wie die Gitar­re und E‑Gitarre zum Ein­satz. Beson­ders lobend ist zu erwäh­nen, wie sie krea­tiv den Beginn von Mozarts Sona­te KV 310 in die Oper an meh­re­ren Stel­len sowohl in die Musik, als auch in die Hand­lung ein­ge­wo­ben hat.

Aber gera­de die­se musi­ka­li­sche Gleich­för­mig­keit ent­puppt sich auch als Schwä­che. Die Sona­te KV 310 etwa ist nicht mehr inter­es­sant, wenn sie zum drit­ten Mal in der Oper erwähnt und auf­ge­führt wird. Mit jedem Male, in dem Leo­nie die Wör­ter „Sona­te KV 310“ in eine geküns­tel­te Art und Wei­se sagt, ver­geht mir sogar die Lust, das Mozart-Ori­gi­nal zu hören. Beson­ders ist mir auf­ge­fal­len, wie Deut­scher nicht nur auf ihre eige­nen Melo­dien zurück­greift, was durch­aus übli­che kom­po­si­to­ri­sche Pra­xis ist, son­dern auch auf frem­de, bekann­te Melo­dien. Ich war sicht­lich irri­tiert, als ich plötz­lich die Melo­die des Volks­lie­des „Die Gedan­ken sind frei“ ver­nom­men habe. Mir erschließt sich bis jetzt nicht, wes­halb sie auf so bekann­te Melo­dien zurück­greift, ohne die­se zu kom­men­tie­ren. Sie erschei­nen unver­mit­telt und gehen wie­der – was übrig bleibt sind Fra­ge­zei­chen, war­um sie aus­ge­rech­net die­se Melo­dien ver­wer­tet hat.

Auch frem­delt Deut­scher anschei­nend, Musik in ande­ren Sti­len zu schrei­ben. Die ver­meint­li­chen Pop­songs, die der Jonas singt, ent­pup­pen sich nicht als Pop­songs, son­dern sich eher als volks­lied­haf­te Stü­cke mit ein­fa­cher Harmonie.

Fazit

Zusam­men­fas­send erach­te ich die Musik der Oper als allen­falls durch­schnitt­lich, aber nicht unbe­dingt schlecht oder her­aus­ra­gend. Das Libret­to aber beinhal­te­te manch­mal Text­stel­len, bei denen ich mir wün­schen wür­de, dass ich kein Deutsch verstünde.

Alles in allem hat sich der Besuch der Oper mei­ner Mei­nung nach nicht gelohnt und ich wür­de es allen abra­ten, nur die­ser Oper wegen irgend­wo­hin zu reisen.

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